Frage 23

Umreißen Sie bitte kurz die hierauf folgenden Ereignisse. Was geschah dann?

Was auf die geschilderten Ereignisse folgte, war nicht weniger als der Friedensvertrag und das war in der Tat ein Drama. Man kann wohl erwarten, dass die schicksalhaften Entscheidungen des November 1918 bekannt sind:

Nur wenige Tage auf diesen einschneidenden Morgen folgend, verbreitete sich das Gerücht, das Deutsche Heer bereite sich auf die Kapitulation vor. Wir mochten das nicht so recht glauben, auch weil dies wohl zur Folge gehabt hätte, dass der Sperling kein einziges Mal die Gelegenheit bekommen würde, sich im Feld zu beweisen. Ich erwähnte bereits, dass unser aller Wünsche und Ziele darauf ausgerichtet waren, dem deutschen Volk, das wir so wenig mit körperlicher Durchsetzungskraft zu bereichern im Stande waren, einen künstlichen Körper in Gestalt des Sperling zu schenken.

Nun sahen wir uns in der beinahe tragischen Situation, zugleich einen gewaltigen Sprung in unserer Forschung zu vollführen und zeitgleich einem Militär gegenüber zu stehen, das dieses unser Geschenk nicht anzunehmen in der Lage war. Kurzum, es sprachen einige Gründe dafür, das erwähnte Gerücht erst einmal nicht zu beachten.

Umso gewaltiger überrollten uns dann auch die historischen Ereignisse, als uns die unvermeidbaren Befehle dennoch erreichten. Bereits in der ersten Nacht nach der Kapitulation zog Ernst seine ihm ganz eigenen Konsequenzen und entfernte sich von der Truppe. Er entschwand, ohne mich oder jemand anderen mit einem einzigen Wort zu bedenken. Ich wurde lediglich eines Briefes gewahr, der am nächsten Morgen zu Füßen meiner Tasche auf dem Gang lag.

Darin fand sich ein Abschiedsgruß, den ich als warmherzig und um Verständnis flehend zu bezeichnen mich nicht scheue. Ernst gestand, sich vom Bedürfnis nicht befreien zu können, die gute Kameradschaft und Zusammenarbeit herauszustellen und sich hierfür zu bedanken. Ebenso war er bemüht zu betonen, wie sehr er diesen feigen und stillen Abschied bedauere. Nur verhielt sich die Sache so, dass er fest mit Repressalien durch den Feind rechnete, welchem gegenüber auch er keine Gnade hätte walten lassen, wie er unumwunden zugab. Als Leutnant der Luftwaffe fürchtete er die Möglichkeit, auf verschiedenste Arten als Opfer des gescheiterten Krieges seinen Kopf hinhalten zu müssen.

Sich diesem Urteil zu beugen sah Ernst in keiner Weise als soldatische Pflicht, sondern vielmehr als Anstoß zum Widerstand, weshalb er Richtung Friesland aufzubrechen plante, um sich dort einer, zwar aus dem Verborgenen agierenden, aber umso ehrenvolleren Verteidigung des Vaterlandes anschließen zu können. Er würde mich nie vergessen und man sähe sich immer zweimal im Leben, schrieb er noch.

Bis zu diesem Zeitpunkt nicht die Gelegenheit bekommen zu haben, Ernst in diese furiosen Neuigkeiten einweihen zu können, nagte und nagt noch immer sehr an meinem Gewissen. Oft dachte ich an ihn und die gemeinsamen Stunden, wie ich sie nicht erwartete ein weiteres Mal erfahren zu dürfen. Wie sehr hätte er verdient, seinen Teil zu unserer Unternehmung beisteuern zu können, welche im Zuge der neuen Verhältnisse jedoch ebenfalls ein jähes Ende fanden.

 

Gerade hatten wir begonnen, unsere Entdeckung genauer zu studieren. Es gelang eine Wiederholung der fliegenden Ratte, dann noch eine, und schließlich entdeckten wir das Loch im Atemgerät und die dortige Vermischung von Sauerstoff, von der Atemluft beigemischten Amphetaminen und Helium, welche sich in dieser Konstellation offensichtlich für die Verwandlung der Ratte verantwortlich zeigte.

Gerade hatten wir diese Mischung bewusst hergestellt und Ratten zugeführt, welche allesamt in erwarteter Weise vom Boden sich abhoben und zur Decke hin schwebten (woraufhin wir auf den Gedanken kamen sie mit einem dünnen Bindfaden an der Tischplatte zu fixieren, um anschließend nicht mit der Leiter und einem Schmetterlingsnetz durch den Laborraum wandern zu müssen, um die armen Versuchstiere wieder einzufangen).

Und gerade hatten wir begonnen zu erahnen, welche ganz neuen Möglichkeiten des Luftkampfes sich uns eröffneten, getrieben von der neuen, geheimnisvollen Substanz. Phantasien einer fliegenden Reichsarmee schwebten durch den Raum, Piloten ohne Fluggerät, die Racheengeln gleich vom Himmel stießen, um den Feind zu treffen.

Sie mussten jedoch vorerst Wunschdenken bleiben, denn wenige Tage darauf wurden auch wir offiziell ins Zivilleben entlassen.

Um es kurz zu machen: Während um uns herum das Land der Verlierer demontiert wurde, schafften wir als saarländische Flüchtlinge getarnt einen Teil unserer Laborausrüstung sowie die Forschungsergebnisse auf einem alten Karren zurück nach Offenbach.

Es muss ulkig ausgeschaut haben, wie Walter, eingekleidet in den Lumpen eines alten Weibleins, vorn auf dem Kutschbock saß, während ich in den heruntergekommensten Hosen, die man sich denken kann, unseren Karren die Landstraße entlang zog. Am Ende konnten wir unser Hab und Gut sicher ans Ziel schaffen und versteckten die wertvollen Teile unserer Laborgerätschaften in einer Scheune unweit des Werksgeländes.

Meine Hand schmerzt. Ist es möglich eine Pause zu arrangieren? Die ungewohnte Schreibarbeit mit Ihrem – mit Verlaub – antiquierten Federkiel erschwert mir eine gerechte und detailreiche Wiedergabe der Geschehnisse doch zunehmend.

Wir machen eine kleine Pause. Vielen Dank für ihre bisherigen aussagen, die uns Werk und wesen Dr. Walter Strohbrücks ein stück näher haben kommen lassen. wir werden den dialog wieder aufnehmen, so sich ihre Hand erholt hat, um weiteres zu erfahren.