Frage 17

WIE BEWERTEN SIE den NUTZEN ihrer FORSCHUNG IM KONTEXT DER KRIEGSHANDLUNGEN?

Dies zu beurteilen, fällt mir außerordentlich schwer. Es ist wohl geboten, vor dem Hintergrund der damaligen Verhältnisse noch einmal das Grundverständnis zu erläutern, unter dem wir alle gemeinschaftlich unsere Pflicht auf dem Luftwaffenstützpunkt in Köln-Wahn erfüllten. Es verhielt sich so, dass der Dienst im Labor statt an der Front für uns aus jeweils ureigenen und den Kameraden verborgenen Gründen eine unbefriedigende Situation darstellte. Obgleich wir niemals darüber sprachen, einte uns der Verdacht eine vollwertige Soldatenuniform nicht wert gewesen zu sein. Uns blieb nur der Laborkittel, an dem doch niemals Orden und Auszeichnungen prangen sollten, mit denen Ehre und Tapferkeit zu beweisen ihr Träger im Stande war. Insbesondere Ernst und ich teilten das Gefühl, zurückgestuft und unter unseren Möglichkeiten gehalten worden zu sein. Als missgönne uns eine unbekannte Macht jenen Beitrag zum Ruhm des Vaterlandes, den wir sehnsüchtigst zu leisten wünschten.

Umso mehr war unsere Einheit von dem Verlangen getragen, den eigenen Wert für Kameraden und Vaterland durch Forschungserfolge im Sinne des kaiserlichen Heeres unter Beweis zu stellen. In diesem Lichte ist auch zu sehen, warum der Tod von Höxter-Lüchtringens unsere Tätigkeiten zwar für kurze Zeit zum Erliegen brachte, zu keiner Zeit jedoch unserem Tatendrang Fesseln anzulegen vermochte! Wir waren uns bewusst, dass der Sperling unser wertvollstes Geschenk an das deutsche Volk darstellte, an dessen Fertigstellung wir unermüdlich zu arbeiten bereit waren, während andere im Kampf Mann gegen Mann ihr blankes Leben darboten.

Gleichwohl war der Nutzen unserer Forschung für die tapferen Kameraden nicht gleichzusetzen mit jenen Durchbrüchen, wie sie zur selben Zeit von den Kollegen Fritz Habers vertreten wurden. Ich kann nicht verhehlen, manches Mal voller Neid nach Berlin geblickt zu haben – insgeheim hoffend, in denselben historischen Dimensionen wirken zu können. Dessen statt begnügte ich mich mit den traurigen Augen jener zahllosen Ratten, die wir für unsere fixen Ideen Reihe um Reihe in den Tod zu schicken bereit waren. Ich befürworte in keinem Fall die sinnlose Opferung unschuldigen Lebens. Wenn es jedoch nicht anders zu machen ist, dann doch bitte sehr im Sinne einer heldenhaften Sache und nicht im Kleinklein solcher Alltäglichkeiten, wie sie mich viel zu oft und viel zu lange im Laufe meines Lebens in Beschlag genommen haben!

Wahre Tragödie liegt entgegen der landläufigen Meinung nicht in der Ausweglosigkeit, sondern in eben jenen Auswegen, die der Mensch so schwer im Stande ist zu erkennen und die doch sein ganzes glanzloses Leben begleiten. Wäre es mir persönlich gelungen nur eine einzige dieser Abzweigungen zu nehmen, die Welt wäre eine andere geworden, das kann ich Ihnen versichern.